Anna Neata, Packerl: Die umgekehrten Süßkartoffelpommes unter den Romanen
Wie ich jetzt auf Pommes komme? Gut, berechtigte Frage.
Hear me out: Ich finde ungefähr das erste Drittel von so einer Portion Süßkartoffelpommes immer richtig gut. Und dann kommt irgendwann der Punkt, wo ich keine einzige mehr runterbringe und es mir zu viel ist von allem – zu süß, zu intensiv.
Genau umgekehrt war es mit Packerl.
Das Buch und ich, wir hatten einen etwas holprigen Start. Aber dann! Dann war ich am Ende fast ein bisschen traurig, als es vorbei war. Wie bei einem guten Essen halt.

Inhaltsverzeichnis
Worum geht's?
Das sagt der Klappen- bzw. Werbetext:
Elli, 1928 geboren, wird inmitten des Zweiten Weltkrieges Zeugin einer illegalen Abtreibung. Eine verstörende, prägende Erfahrung. Ebenso verliebt wie naiv, stürzt sie sich Anfang der Fünfzigerjahren in die Ehe mit Alexander, von der schon nach kurzer Zeit wenig mehr als die gemeinsame Tochter Alexandra übrigbleibt […]. Alexandra rettet sich in den Siebzigerjahren aus einer unglücklichen Beziehung, als sie sich gegen ein Kind entscheidet. Ihr zeitlebens bester Freund Hannes ist einer der wenigen, der ihr zur Seite steht und später zu ihrer vielleicht letzten Liebe wird. Dabei ist Alexandras zweite Ehe […] zumindest vordergründig glücklicher, Tochter Eva wird 1986 geboren. Hannes‘ Sohn Konrad und Eva werden sich, wie schon ihre Eltern, immer nah sein, auch als Eva Anfang der 2000er nach einem Schwangerschaftsabbruch in Depressionen versinkt. Eva ist die erste der drei, die […] sich den biographischen Gemeinsamkeiten in ihrer Familie stellt.
Werbetext zu „Packerl“ (Ullstein Verlag)
Ehrlich gesagt: Ich war bei der Zusammenfassung zuerst skeptisch. Es klang mir schon sehr nach „Schwangerschaftsabbruch als schlimmstmögliches Szenario“. Haben wir von diesem Framing nicht langsam genug, war mein allererster Gedanke.
Nun ja. Don’t judge a book by its Klappentext. Der kann nämlich hier und da auch komplett am Inhalt vorbeigehen.
Ich habe also einfach mal angefangen zu lesen und festgestellt: Okay, wird ein bisschen dauern, bis ich bei dem Erzählstil durchsteige. (Fairerweise: So geht es mir mit Generationengeschichten oft.) Ich kann gar nicht genau sagen, wann und warum, aber: Auf einmal hat es dann doch klick gemacht – ab da habe ich das Buch inhaliert.
Es passiert wenig. Und es passiert alles.
Ist auf der Ereignisebene so superviel los? Nein, gar nicht unbedingt. Aber trotzdem nimmt die Geschichte ein rasantes Tempo auf, sobald man mal drin ist – eben, weil nicht prätentiös herumgeschwafelt, sondern einfach kompromisslos erzählt wird. Dieser Stil kommt mir übrigens besonders oft bei österreichischen Autorinnen unter, und ich liebe sie dafür.
Ich mag, wie die Sätze gebaut sind. Ich mag den trockenen Humor. Ich mag, dass über einen langen Zeitraum erzählt und die Geschichte trotzdem nie langatmig wird. Ich mag, dass es echt klingt und nicht so geskripted. Ich mag Stellen wie die hier:
Wer einmal gebeten wird, hat der Großvater immer zu ihr gesagt, der soll ja nicht ein zweites Mal überlegen, bevor er die Klinke in die Hand nimmt.
Anna Neata
Oder die:
Eva hält den Atem an. Gänsehaut kann man auch nach innen haben. Wer bist du? Eva ist Eva, Eva ist der Nagel auf ihrem kleinen Zeh, ist die Wunde auf Vals Knie, sie ist das herausgestochene Auge der Taube, letzten Sommer im Park, sie ist das Haus in der Siedlung mit seinen Geheimnissen, sie ist alle Flugzeugunglücke in einem, ist Hunger, ist Kälte, Eva ist Eva und ist die Fieberstimme, die zischend singt, was sie ist und was nicht, die in unendlichen Wiederholungen um ihre Stirn kreist.
Anna Neata
Abgesehen davon hat sich übrigens die Framing-Befürchtung vom Anfang nicht bewahrheitet. No spoiler und so weiter, deswegen sage ich dazu nicht mehr, aber: Diese Geschichte, die kann man sehr gut mal lesen. Oder mehr als einmal.
Ich glaube, das ist eins der Bücher, in denen man beim zweiten oder dritten Lesen nochmal ganz neue Details findet. (Ja, ich lese manchmal Bücher mehrmals und nein, das ist keine Zeitverschwendung, and I will die on that hill.)
Fazit: Alles Geschmackssache (duh)
Wenn ich jetzt ganz ehrlich bin: Ein paar Dinge haben sich mir nicht so recht erschlossen, in erster Linie (an manchen Stellen) der Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit und die Wahl des Cover-Motivs.
Na gut, aber was ist das letztendlich? Genau, einfach nur mein subjektiver Eindruck. Vielleicht habe ich ein Stilmittel im Text nicht umrissen, vielleicht gehen mein Cover-Geschmack und der von den Verantwortlichen im Verlag auseinander. Soll vorkommen. Beides wären echt keine guten Gründe, das Buch nicht zu lesen.
Mit anderen Worten: Unterm Strich habe ich den Roman sehr gemocht und würde ihn definitiv weiterempfehlen.
Wenn du „Packerl“ schon gelesen hast: Erzähl mir gern, wie es dir gefallen hat, zum Beispiel auf Instagram!
Too long, didn't read: Eckdaten
Für Fans von:
Mareike Fallwickl, Angela Lehner, Marlen Haushofer
Gesamteindruck:
8 von 10, wegen der (subjektiv wahrgenommenen) Startschwierigkeiten.
Bibliografische Daten:
Anna Neata, Packerl. Ullstein (2023).
368 Seiten.
ISBN: 978-3-550-20252-0