Normseiten: Wie du den Manuskript-Umfang berechnen kannst
Angenommen, jemand Wildfremdes bittet dich, Brot zu besorgen (warum auch immer). Alles klar, oder? Du weißt bestimmt sofort, welches Brot gemeint ist und was es kosten wird?
Wtf, denkst du jetzt, was labert sie da von Brot? Okay, worauf ich hinauswill: Das gleiche Spiel lässt sich auf Manuskript-Seiten übertragen. In dem Zusammenhang ist nämlich die Ansage „das Buch hat 231 Seiten“ ungefähr so hilfreich wie „bitte kauf Brot“. (Abgesehen davon rede ich einfach gern über Brot. Und Schreibmaschinen. Aber dazu kommen wir noch.)
Und damit Bühne frei für: die Normseite. Was das ist, warum sie für den Umfang eines Buchs und Verlage so relevant ist, ob ein Preis pro Normseite sinnvoll ist, wie du eine Normseiten-Vorlage erstellst und ob das überhaupt nötig ist – das schauen wir uns im Anschluss an.
Inhaltsverzeichnis
Was ist eine Normseite?
Die Normseite ist ein standardisiertes Seitenformat. Sie besteht aus
- bis zu 1.800 Anschlägen (bzw. Zeichen) und
- maximal 30 Zeilen pro Seite.
Eine solche Normzeile besteht aus 60 Anschlägen und ist im Flattersatz gesetzt. Automatische Silbentrennung gibt es dabei nicht.
Hä? Woanders steht, die Normseite hat 1.500 Zeichen, was denn jetzt? Ja, hab ich mir ursprünglich auch gedacht.
1.500 oder 1.800 Zeichen?
Die 1.500 Zeichen sind ein Durchschnittswert, den der Verein VG Wort definiert hat. Warum? Weil in der Praxis natürlich nicht jede Manuskriptseite genau aus 1.800 Zeichen und nicht jede Zeile aus 60 Anschlägen besteht.
Achtung: Wenn du einfach die Gesamtzeichenzahl durch 1.800 teilst, um die Normseiten in einem Manuskript zu berechnen, kalkulierst du wirklich alles als Text. Also z. B. auch Absätze, leere Zeilen etc. So könntest du am Ende auf mehr Textinhalt kommen, als das Dokument tatsächlich hat. (Ich würde diese Rechnung aber nicht per se verteufeln – siehe unten.)
Klingt verwirrend? Muss es nicht sein. Wenn du eine Übersetzung, ein Lektorat o. Ä. beauftragen willst oder mit einem Verlag zusammenarbeitest, frag im Zweifelsfall einfach nach, mit welchem Normseitenumfang kalkuliert wird. Viele Verlage gehen nämlich nach der 1.800-Zeichen-Vorgabe. Oder gleich nach 1.650 Zeichen – also wieder ganz anders.
(Zum Weiterlesen kann ich außerdem diesen Beitrag zu Missverständnissen über die Normseite empfehlen.)
Im Anschluss gibt’s noch ein paar Hintergrundinfos dazu, wer sich das mit der Normseite eigentlich ausgedacht hat. Und Schreibmaschinen-Talk. Which I love.
Aber falls du es eilig hast, kannst du direkt zum Teil über die Normseiten-Formatierung oder Normseiten-Honorare springen.
Woher kommt die Sache mit der Normseite?
Die Eingrenzung auf 1.800 Anschläge geht zurück auf die Normvertrag-Vereinbarung zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem Verband deutscher Schriftsteller. Da befinden wir uns im Jahr 1978, also in einer Zeit, wo Schreibmaschinen noch Standard waren.

Deshalb war ursprünglich auch von Anschlägen statt Zeichen die Rede. Auf einer alten Schreibmaschine kannst du nicht einfach Tab drücken, um den Zeilenanfang einzurücken. Auf meinem Modell müsste ich dafür eins-zwei-drei-viermal auf die Leertaste drücken – also vier Anschläge.
Außerdem trennt die Schreibmaschine Silben am Zeilenende nicht automatisch. Sie sagt dir nur mit einem dinggg, wenn der standardmäßige Abstand zum Seitenrand erreicht ist.
Die Schreibmaschine arbeitet mit einer sogenannten Festbreitenschrift. Heißt: Jedes einzelne Zeichen beansprucht gleich viel Platz. Das Gegenteil dazu sind die Proportionalschriften, wie du sie z. B. in Word hast – also Arial, Times New Roman etc.

Im Foto siehst du vergleichsweise, wie schmal oder breit der gleiche Text je nach Font ausfallen kann.
Die Normzeile und -seite war also ein Ansatz, der es möglich machen sollte, die Seitenlänge einheitlich festzulegen. Zum Beispiel, um das Honorar für Literaturübersetzungen bestimmen zu können.
Umfang: Wie viele Normseiten hat ein Manuskript?
Manuskripte sind durchschnittlich zwischen 250 und 400 Normseiten lang.
Was nicht heißt, dass es so sein muss. Wenn du dein Buch selbst veröffentlichen willst, legst allein du die Grenze fest. Es braucht unbedingt die 60 zusätzlichen Seiten für das World-building? Oder den 15-seitigen Dialog zur Charakterentwicklung? Na dann – go for it. (Oder frag im Zweifelsfall deine Lektorin, ob das wirklich nötig ist.)
Solltest du gerade noch am Anfang des Schreibprozesses stehen, kannst du dir überlegen, das Dokument direkt im Normseiten-Format anzulegen (siehe unten). Allein schon deshalb, weil dir die Normseite im späteren Verlauf sowieso irgendwann wieder begegnen wird.
Wir reden bei diesem Seitenumfang übrigens wirklich von Normseiten. Ich sage das explizit dazu, denn: Eine Normseite ist nicht automatisch eine Buchseite. Was uns auch schon zum nächsten Punkt bringt.
Welche Rolle spielt die Normseite im Verlag und im Selfpublishing?
Es geht (wie immer) um: Geld.
Klingt unromantisch, ist aber so. Weil es nun mal leider teuer ist, ein (ästhetisches) Buch zu produzieren. Ein Verlag muss also den ungefähren Buchumfang realistisch einschätzen können. Das wird an die Druckerei kommuniziert (Stichwort: Papier), und im Marketing nach außen.
Beim Selfpublishing ist es ähnlich: Früher oder später musst du den Umfang deines Manuskripts benennen können. Und, naja: mehr Seiten kosten mehr Geld in der Produktion.
Unabhängig davon, wer publiziert, muss zudem kalkulierbar sein, was das „Finetuning“ des Manuskripts kosten wird, sprich: Lektorat und Korrekturlesen.
Das gilt genauso andersherum: Als Lektorin muss ich ungefähr einschätzen können, wie umfangreich ein Text ist. Überspitzt gesagt: „10 Seiten“ können ein Pixie-Buch sein. Oder 10 Rezepte in einem Kochbuch. Oder 10 Seiten Rahmentext in einem Kochbuch. Das sind komplett verschiedene Situationen. Aber 10 Normseiten sind 10 Normseiten.
So kannst du Normseiten berechnen
Ganz ehrlich: Normalerweise reicht es, wenn du …
- mit Strg + A den kompletten Text markierst,
- dir die Zeichenzahl inklusive Leerzeichen rausholst und
- diese durch 1.500 teilst.
Ja-ha, ich weiß, das widerspricht der Aussage oben, dass das Dividieren eventuell ein falsches Bild von der Textmenge erzeugt.
Aber.
Du bekommst so eine ungefähre Einschätzung vom Gesamtumfang. Und die reicht in den allermeisten Fällen erst mal aus. (Wenn du nach Tools zur Normseiten-Berechnung googelst, werden die meisten davon übrigens auch mit diesem Rechenweg arbeiten.)
Formatierung: Wie du eine Normseiten-Vorlage einrichtest
Angenommen, du stehst ganz am Anfang deiner Manuskript-Erstellung. Du willst alles richtig machen und eine Normseiten-Vorlage in Word, Open Office (bzw. LibreOffice), Pages o. Ä. erstellen.
Du willst dem Verlag deiner Wahl gleich das perfekt formatierte Manuskript schicken können. Damit die nur noch auf „Drucken“ klicken müssen, sozusagen. Easy!
In der Theorie durchaus nachvollziehbar. In der Praxis hast du jetzt zwei Optionen, wenn du mich fragst:
- Google nach so einer Vorlage (dann kommt z. B. die vom Literaturcafé), speichere sie dir ab, und leg darin mit dem Schreiben los.
- Spar dir den Umweg. Konzentriere dich lieber aufs Schreiben.
Ähm … lazy much? Nein, eher pragmatisch. Ich habe im Verlag nie, wirklich nie erlebt, dass jemand gesagt hätte: „In die Tonne damit, das ist nicht als Normseite formatiert!“.
Viel wichtiger ist, dass der Text schön lesbar und generell vorzeigbar ist. Also nicht mit einfachem Zeilenabstand, Schriftgröße 8 und Wingdings-Font. Zum Beispiel. Endgültig formatiert wird dann sowieso erst in der Buchsatz-Phase.
Mal ganz abgesehen davon, dass kein Verlag nur darauf wartet, vollständige Manuskripte im Postfach zu finden. Auf jeder beliebigen Verlags-Website wirst du den Hinweis finden, man möge bitte eine Leseprobe und ein Exposé einreichen.
Anders gesagt: Du kannst dich mit der Formatierung herumplagen und dir den Kopf zerbrechen über 1.500, 1.650 oder 1.800 Zeichen pro Seite. Oder du planst die Textstruktur, den Einstieg, die Argumentation bzw. den Plot, den Zeitaufwand, sammelst Quellen … usw. Ich kann dir hier und jetzt versprechen, dass dein Buch-Baby davon mehr profitieren wird als von der perfekt angelegten Normseite.
„Was das wieder kostet“: Das Normseiten-Honorar im Lektorat oder Korrektorat
Oft wird das Honorar für ein Lektorat oder Korrekturlesen pro Normseite vereinbart. Der Preis pro Normseite? Überall unterschiedlich. Es kann sein, dass du ein Korrektorat für 1 € pro Normseite findest, ein Lektorat für 6, 9 oder 10 € pro Normseite.
Oder erst gar keinen Preis pro Normseite – weil stattdessen auf Stundensatzbasis abgerechnet wird. Ich mache das so, weil mir „1 Normseite“ rein gar nichts darüber sagt, wie aufwendig es tatsächlich wird. Es kann eine sehr gute Seite sein. Oder eine, bei der ich jeden Satz dreimal lesen muss, um die Aussage zu verstehen. Alles schon passiert.
So gern ich dir hier einen fixen Kostenpunkt sagen würde: Das bringt nichts, zumal es auch darauf ankommt, welchen Leistungsumfang du dir für deinen Text wünschst. Brauchst du ein Mini-Lektorat von 3–5 Seiten, das du zur Orientierung für den restlichen Text nehmen kannst? Ein reines Korrektorat auf Rechtschreibfehler etc.?
Unterm Strich wird es immer darauf hinauslaufen, Angebote einzuholen, den Normseiten-Umfang grob (siehe oben) zu berechnen und in verschiedene Preiskalkulations-Tools einzuspielen – und dann eben zu vergleichen.
Fazit: Warum Normseiten sinnvoll sein können
Normseiten sind dann unverzichtbar, wenn es um Übersetzungen geht. Übersetzungsbüros kalkulieren mit Normseiten und -zeilen – das ist jedoch eine völlig andere Situation als beim Lektorieren oder Korrigieren. Einen zehnzeiligen Dialog zu übersetzen, dauert länger, als ihn durchzulesen und (im besten Fall) wenig oder gar nichts ausbessern zu müssen.
Deshalb ist die Normseite im Hinblick auf Textoptimierung vor allem dann sinnvoll, wenn du z. B. einen ungefähren Kostenpunkt für dein Projekt ausrechnen willst.
Lass dich nicht verrückt machen, wenn dir ständig irgendwo die Normseite begegnet und du das Gefühl hast, du kennst dich hinten und vorne nicht mehr aus. Man kann alles komplizierter machen, als es sein muss. Am wichtigsten ist dein Text an sich. Wenn du dich um den kümmerst, kann schon nicht mehr so viel schiefgehen.
FAQ: Häufig gestellte Fragen zur Normseite
Wie viele Zeichen hat eine Normseite?
Die Normseite besteht streng genommen aus 1.800 Zeichen. (Eine Normzeile hat dabei 60 Zeichen.) Laut VG Wort läuft es bei Normseiten aber im Durchschnitt auf 1.500 Zeichen hinaus. Je nachdem, wen du fragst, wirst du also mal diese und mal jene Zahl hören.
Welche Schrift kommt für Normseiten zum Einsatz?
Der Klassiker ist hier Courier oder Courier New. Grundsätzlich ist aber am wichtigsten, dass es sich um eine nichtproportionale Schriftart handelt: dass also der Abstand zwischen den Zeichen immer gleich ist. (Bei Times New Roman wäre das z. B. nicht der Fall.)
Wie viele Normseiten hat ein Roman?
Meistens hat ein Roman zwischen 250 und 400 Normseiten. Es kommt auch darauf an, wer ihn verfasst: Bei einem bekannten Namen wird der Verlag eher bereit sein, auf mehr Seiten zu setzen. Wenn es um ein Erstlingswerk geht, wird vermutlich erst einmal vorsichtig(er) mit 250–300 Normseiten geplant. Pauschal kann man das aber unmöglich sagen.